Ab 40 geht's bergab - denkste!
Sie war in Hollywood bereits abgeschrieben. Reese Witherspoon sei „am Ende“, urteilte 2012 das US-Magazin „The New Yorker“. Wie sich ihre Kritiker:innen doch getäuscht haben! Die Schauspielerin ist heute dank ihres Muts und Geschicks ganz obenauf. Reese Witherspoon zählt nicht nur zu den 100 einflussreichsten Frauen der Welt. Im August 2021 nahm das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ sie sogar in die Liste der reichsten Selfmade-Frauen der USA auf – neben Oprah Winfrey und Ex-Pepsico-Chefin Indra Nooyi. Grund dafür ist der Megadeal, den sie für ihre Produktionsfirma Hello Sunshine aushandelte. Amerikas größter Private-Equity-Vermögensverwalter Blackstone soll dafür 900 Millionen US-Dollar hingeblättert haben. Kurzzeitig sei als Käufer auch Apple im Gespräch gewesen.
Reese Witherspoon will sich mit diesem Vermögen aber keineswegs zur Ruhe setzen. Stattdessen behält sie laut „Forbes“ mindestens 18 Prozent der Firmenanteile, um mit dem neuen Kapital erst so richtig durchstarten zu können!
Seit 2016 produziert Hello Sunshine mit den drei Serien „Big Little Lies“, „Little Fires Everywhere“ und „The Morning Show“ einen Quotenhit nach dem anderen. Drei Dinge haben alle Serien gemeinsam: Starke Frauenfiguren, einen hochkarätigen Cast mit Stars wie Nicole Kidman, Jennifer Aniston – und Reese selbst in einer der Hauptrollen. Das dürfte sie mit Genugtuung erfüllen, denn nach dem Durchbruch mit „Natürlich blond“ (2001) und dem Oscar für ihre Rolle in dem Johnny-Cash-Biopic „Walk the Line“ (2005) waren spannende Angebote weitestgehend ausgeblieben. Oft habe sie zu hören bekommen: „Wir haben dieses Jahr schon einen Frauenfilm gedreht, das reicht.“ Als ihr Finanzberater prophezeite, dass sie mit 40 „drastisch“ weniger verdienen werde und schleunigst anfangen solle, zu sparen, sei sie erst in Panik verfallen, gestand Witherspoon 2020 gegenüber der „Los Angeles Times“. Dann aber habe sie ihren Berater gefeuert und ihr Leben und Glück selbst in die Hand genommen.
„Ideenreichtum hat keine Altersgrenze.“
Um Geld zu bitten, war furchteinflößend
Die Schauspielerin gründete bereits vor 20 Jahren mit Type A Films ihre erste Produktionsfirma, die später zu Pacific Standard verschmolz und heute Teil von Hello Sunshine ist. Ziel war und ist es, Frauenthemen im Kino zu stärken und Frauen ein geschütztes Arbeitsumfeld zu bieten. Mit 16 Jahren war Reese Witherspoon am Set selbst Opfer sexueller Belästigung geworden. Ihr Weg als Unternehmerin war zudem kein Selbstläufer, sondern ein stetes Learning by Doing. Trotz erfolgreicher Produktionen wie der Romanverfilmung „Gone Girl“ (2014) reichten die Einnahmen zunächst nicht, um laufende Kosten zu decken. Investoren mussten her. Im Podcast mit Margaret Gardiner, Journalistin der Hollywood Foreign Press Association, berichtet Reese von den Anfängen:
„Ich bin so erzogen worden, dass es sich für Frauen nicht gehört, über Geld zu reden. Aber jetzt musste ich plötzlich fremde Menschen um Millionen an Fördermitteln bitten. Das war schon furchteinflößend.“
Wenn sie heute mit Investoren spricht, spielt sie einfach eine Rolle, so Reese. „Es ist, als wäre ich die letzten fünf Jahre auf der Wirtschaftsschule gewesen – außer dass ich es nicht war.“
Mit mehr Geld kommt oft auch Neid, mitunter sogar innerhalb der eigenen Familie oder Partnerschaft. Reese hat das mehrfach erlebt – so auch 2002, als sie mit ihrem damaligen Ehemann, Schauspielkollege Ryan Philippe, bei der Oscar-Verleihung eine Trophäe überreichte. Er gab ihr den Vortritt mit den Worten: „Du verdienst ja schließlich mehr als ich.“
„Ich war echt perplex, das war nicht abgesprochen“, erzählt sie. Es ärgert sie, dass erfolgreiche Frauen immer wieder derart an den Pranger gestellt werden. Die Mutter von drei Kindern – Ava (22) und Deacon (18) stammen aus der 2007 geschiedenen Ehe mit Ryan Philippe, Sohn Tennessee James bekam sie 2012 mit Ehemann John Toth – erinnert sich an einen weiteren, prägenden Moment: „Meine Tochter kam weinend aus der Schule und schluchzte: ‚Mom, die haben gesagt, du seist eine der bestbezahlten Schauspielerinnen in Hollywood. Das war mir so peinlich.‘ Und ich habe ihr gesagt: ‚Schäme dich niemals für eine Frau, die gut verdient‘.“
Frauen können auch Vermögensaufbau
So wie Reese Witherspoon machen sich viele Frauen in Hollywood zunehmend selbstständig. Gwyneth Paltrow gründete 2008 ihre Lifestylemarke Goop und verkauft heute mit großem Erfolg unter anderem „So riecht meine Vagina“-Duftkerzen. Der Marktwert ihres Labels liegt aktuell bei 250 Millionen US-Dollar. Jessica Alba ging im Mai 2021 mit The Honest Company, einem Shop für Öko-Babyprodukte, an die Börse.
Reese besitzt zusätzlich zu Hello Sunshine auch ein eigenes Modelabel. Draper James stellt in Anlehnung an ihre Wurzeln Kleidung mit Südstaatentouch her. Die Schauspielerin wurde in New Orleans, Louisiana, geboren und wuchs nach vier Jahren Zwischenstopp in Wiesbaden, wo ihr Vater als Militärarzt stationiert war, in Nashville, Tennessee, auf.
„Ich suche heute ständig nach Möglichkeiten, wie ich Vermögen aufbauen kann“, sagt Reese im Podcast-Talk. „Als ich anfing, hat mir keiner Tipps gegeben. Ich bekam mit, wie meine männlichen Kollegen ihr Geld in Uber und Google investierten und ständig mit den Gründern abhingen. Als ich andere Frauen fragte, ob sie auch schon mal von denen eingeladen worden seien, war die Antwort immer: Nein. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass man Geld verdient, sondern auch weiß, wie man es richtig nutzt.“ Anfang September 2021 verkündete sie darum auf Twitter, dass sie in Ethereum, die größte Kryptowährung nach Bitcoin, investiert habe.
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Du kannst die Heldin deiner eigenen Story sein
Ihre größte Leidenschaft bleibt es, Frauenthemen zu pushen. Inspirationen für neue Produktionen holt sich Reese Witherspoon von ihrem Book Club, der regelmäßig Autorinnen vorstellt. Die Gründung war ein cleverer Schachzug der 45-Jährigen, die vor ihrer Schauspielkarriere ein Jahr englische Literatur an der Elite-Uni Stanford studiert hatte. Ihr Book Club hat mittlerweile 2,2 Millionen Follower auf Instagram (Stand: Oktober 2021). „Früher habe ich Filme ins Blaue hinein produziert, heute bin ich dank der sozialen Medien in direktem Austausch und kann konkret ausloten, was das Publikum wirklich sehen will“, erklärt Reese im CNBC-Interview. In Zukunft will sie das Portfolio von Hello Sunshine um Zeichentrickfilme erweitern. „So können wir vielleicht noch mehr Mädchen und Frauen erreichen und zeigen, dass sie selbst die Heldinnen ihrer eigenen Story sein können.“