Natalya Nepomnyashchanatalia
Daniel Hardge

Natalya Nepomnyashcha: „Immer weitermachen!“

In ihrem Buch „Wir von unten. Wie soziale Herkunft über Karrierechancen entscheidet“ beschreibt Natalya Nepomnyashcha ihren persönlichen Weg. Chefredakteurin Astrid Zehbe traf sie zum Gespräch.
Systemische Hindernisse sorgen noch immer dafür, dass vielen Menschen hierzulande der soziale Aufstieg erschwert wird – aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Wurzeln oder auch ihrer sozialen Herkunft. Mit ihrem Buch „Wir von unten. Wie soziale Herkunft über Karrierechancen entscheidet“ hat Natalya Nepomnyashcha, die in Armut und in einem sozialen Brennpunkt groß geworden ist, ihre eigene Aufstiegsgeschichte beschrieben. Sie thematisiert die vielen Herausforderungen, die vielen Menschen den Zugang zu höheren Bildungseinrichtungen und gut bezahlten Berufen erschweren und setzt sich mit dem von ihr gegründeten Netzwerk Chancen für eine gerechtere Verteilung von Karrieremöglichkeiten unabhängig von der sozialen Herkunft ein – mit Forderungen an Unternehmen, die Politik und die Gesellschaft.
Dein Buch „Wir von unten“ beschreibt eindrucksvoll dein persönliche Aufstiegsgeschichte und die Herausforderungen, die damit verbunden waren. Was hat dich dazu bewegt, dieses Buch zu schreiben?

Natalya Nepomnyashcha: Manche mögen denken, ich erzähle meine Geschichte, um zu zeigen, wie es geht; dass man es “schaffen” kann. Mir geht es vor allem darum, die Hürden aufzuzeigen und auch darauf aufmerksam zu machen, dass die Mehrheit den sozialen Aufstieg eben nicht schafft.

Diversity wird in unserer Gesellschaft immer wichtiger – allerdings spielt die soziale Herkunft in der Wahrnehmung dabei kaum eine Rolle. Warum ist das aus deiner Sicht so?
Zum einen, weil die Dimension auf den ersten Blick kaum sichtbar ist. Man kann sie nicht so einfach auf Bildern darstellen und entsprechend für Marketing nutzen. Zum anderen, weil sie oft mit der Dimension der kulturellen Vielfalt gleichgesetzt wird und für viele damit abgehakt ist, dass man sich eben mit kultureller Diversität beschäftigt. Dabei gibt es Menschen ohne Migrationshintergrund, die in Armut aufwachsen, genauso wie Menschen mit Migrationsgeschichte, die womöglich von Rassismus betroffen sind, sozioökonomisch gesehen aber privilegiert aufwachsen.
Inwiefern profitiert deiner Meinung nach die Gesellschaft davon, wenn Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft in allen Bereichen zusammenarbeiten und zusammen leben?
Wenn wir gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern möchten, müssen wir dafür sorgen, dass sich Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten begegnen, auch am Arbeitsplatz. Und hier auch gerne auf Augenhöhe und in vergleichbaren Positionen.

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Was müsste denn getan werden, um das zu erreichen?
Die Politik sollte das mehrgliedrige Schulsystem abschaffen und flächendeckend durch Gemeinschaftsschulen mit – wichtig – individueller Förderung ersetzen. Im jetzigen System werden Kinder nur vermeintlich anhand der Fähigkeiten aufgeteilt, in Wahrheit zeigen Studien, dass dies zu oft anhand der sozialen Herkunft passiert.
Und wo siehst du Unternehmen in der Verantwortung?

Unternehmen sollten entlang des gesamten Employee Lifecycles ansetzen: Im Employer Branding und Recruiting genauso wie in der Personalentwicklung. Hier ist die Sensibilisierung von Personalentscheidenden und Führungskräften unglaublich wichtig. Sie müssen die eigenen Privilegien kennen und auch in die Lage versetzt werden, zu reflektieren, wann ihre unbewussten Vorurteile greifen. Mit „Netzwerk Chancen“ helfen wir hier Unternehmen, diese Vorurteile gerade im Hinblick auf die soziale Herkunft zu erkennen.

Dir selbst ist es gelungen, die gläserne Decke zu durchstoßen – wenn auch mit viel Arbeit und Engagement: Du durftest nicht aufs Gymnasium, hast zwei Ausbildungen gemacht, dann in England studiert, weil es dir in Deutschland ohne Abitur versagt wurde und arbeitest mittlerweile in guter Position bei der Unternehmensberatung EY. Was hat dir auf diesem Weg geholfen geholfen?
Ich bin aus irgendeinem Grund sehr resilient, habe mir das vermutlich peu a peu auf dem harten Weg raus aus der Armut aufgebaut. Nach den zig Absagen und Zurückweisungen habe ich trotzdem weitergemacht und versucht, etwas daraus zu lernen. Sei es nur, dass ich mich für den Anfang etwas anpassen muss und zum Beispiel nicht so direkt sein darf.
Was sind aus deiner Sicht generell die wichtigsten Schritte, die jemand unternehmen kann, um die sozialen Barrieren in der Bildung und im Berufsleben zu überwinden?
Was Bildung anbetrifft, ist in meinen Augen vor allem die Politik in der Verantwortung, für Durchlässigkeit zu sorgen. Im Berufsleben würde ich immer empfehlen, möglichst viel Erfahrung zu sammeln und in Kennenlerngesprächen vor allem die Fähigkeiten und Kompetenzen herauszustellen, die man dabei erworben hat. Habe ich zum Beispiel zunächst eine Lehre zur Bäckereifachverkäuferin gemacht, kann ich immer sagen, dass ich dadurch gelernt habe, früh aufzustehen und sehr präzise und strukturiert zu arbeiten.
Natalya Nepomnyashchanatalia: Wir von unten

Buchtipp: "Wir von unten"

„Auch ein Hartz-IV-Kind muss Dax-CEO werden können“, sagt Natalya Nepomnyashcha. Selbst soziale Aufsteigerin, erzählt sie in ihrem Buch offen von ihrem zähen Weg nach oben. Sie berichtet, wie sie aufgrund ihrer Hartz-IV-Herkunft immer wieder diskriminiert wurde – bis ihr nach vielen Jahren der Karrieredurchbruch gelang. Heute fördert sie selbst über 2.000 Erwachsene auf ihrem beruflichen Weg.

Wir von unten“ ist am 30. Mai 2024 im Ullstein Verlag erschienen, 272 Seiten, 19,90 Euro.

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© Marcus Witte
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